Der Handschlag, der fehlte: Eurozentrismus in der deutschen Öffentlichkeit

Höflichkeit ohne Handschlag: Eine Lektion in interkultureller Diplomatie

Ein Handschlag, der nicht stattfand, hat die deutsche Öffentlichkeit einmal mehr gespalten. Beim Besuch von Außenministerin Annalena Baerbock in Syrien, nur wenige Wochen nach dem Sturz von Baschar al-Assad, war nicht der historische Wandel im Fokus der Berichterstattung, sondern eine kleine Geste: Der syrische Machthaber legte zur Begrüßung die Hand auf die Brust, anstatt ihr die Hand zu reichen.

Ein Handschlag – und seine fehlende Bedeutung

Während dieser Geste in der deutschen Presse viel Raum eingeräumt wurde, zeigt sich bei näherer Betrachtung: Weder die Außenministerin selbst noch die syrische Seite sahen darin ein Problem. Diplomatische Besuche folgen stets einem vorher abgestimmten Protokoll, und Baerbock wirkte keineswegs überrascht oder peinlich berührt. Sie war Gast in einem Land mit anderen kulturellen Gepflogenheiten – und genau hier liegt der Kern der Debatte.

Kulturelle Vielfalt statt Eurozentrismus

Der Aufschrei über den fehlenden Handschlag ist weniger eine Frage der Etikette, sondern vielmehr ein Ausdruck von Eurozentrismus. Die Idee, dass westliche Traditionen und Werte der Maßstab für die gesamte Welt sein sollten, ignoriert die Vielfalt von über 200 Staaten mit unterschiedlichen Kulturen und Traditionen. Es ist nicht die Aufgabe eines Gastlandes, seine Sitten anzupassen, sondern die Aufgabe der Diplomatie, Respekt vor kulturellen Unterschieden zu zeigen.

Ein Beispiel für Toleranz und Offenheit

Interessanterweise hat Außenministerin Baerbock selbst kein Aufheben um die Situation gemacht. Ihre entspannte Reaktion ist ein Beispiel dafür, wie interkulturelle Diplomatie funktionieren sollte: mit Respekt, Verständnis und Fokus auf das Wesentliche. Statt sich mit Nebensächlichkeiten aufzuhalten, richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf die drängenden Themen in Syrien und den Aufbau einer Beziehung zu den neuen Machthabern.

Ein Appell an die deutsche Öffentlichkeit

Der Vorfall verdeutlicht ein weiteres Mal, wie stark kulturelle Unterschiede von einigen als Provokation interpretiert werden. Doch anstatt auf Symbolik zu beharren, sollte die deutsche Öffentlichkeit lernen, Vielfalt zu akzeptieren und sich darauf zu konzentrieren, was wirklich zählt. Der Handschlag ist in diesem Kontext irrelevant – die Zukunft Syriens, der Frieden und die diplomatischen Beziehungen sind es nicht.