Die gefährliche Gleichsetzung von Solidarität mit dem Nationalsozialismus
Es gibt Ereignisse, die in der politischen und medialen Landschaft schnell einen Sturm der Empörung entfachen. Ein solcher Vorfall ereignete sich im Jahr 2002, als die damalige deutsche Justizministerin Herta Däubler-Gmelin mit einem unbedachten Satz ihre politische Karriere abrupt beendete. Sie kritisierte die Außenpolitik des damaligen US-Präsidenten George W. Bush und zog dabei einen Hitler-Vergleich. Der Vergleich, so entfernt er auch gemeint war, führte zu ihrem Rücktritt – ein klares Zeichen, dass in Deutschland der Nationalsozialismus nicht einfach als politisches Werkzeug instrumentalisiert werden darf.
Solche Vergleiche bleiben in Deutschland nicht nur politisch heikel, sondern auch gesellschaftlich kaum tragbar. Ein besonders extremes Beispiel dafür sah man während der sogenannten Querdenker-Demonstrationen, als eine Rednerin sich mit der Widerstandskämpferin Sophie Scholl verglich. Solche Gleichsetzungen können die Verbrechen des Nationalsozialismus und die einzigartigen Gräueltaten jener Zeit verharmlosen.
Doch eine gefährliche Verschiebung in dieser Debatte zeigt sich immer dann, wenn es um den Nahostkonflikt und insbesondere um Palästina geht. So ließ sich jüngst ein Kommentar der Zeitung Die Welt (Axel-Springer-Verlag) dazu hinreißen, den Ruf nach „Free Palestine“ mit dem berüchtigten Nazi-Gruß „Heil Hitler“ gleichzusetzen. Diese Aussage ist nicht nur verstörend, sondern auch eine direkte Entmenschlichung eines legitimen politischen Anliegens.
Die Forderung nach Freiheit und Würde für Palästinenser ist eine grundlegende Menschenrechtsfrage. Sie mit dem Nazi-Gruß zu vergleichen, bedeutet, den Palästinensern ihr Recht auf ein Leben in Freiheit abzusprechen. Es bedeutet zudem, all jene, die Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung zeigen, als nationalsozialistische Sympathisanten darzustellen. Diese Art der Berichterstattung ist nicht nur extrem einseitig, sondern auch brandgefährlich.
Die Frage, die sich hier aufdrängt, ist: Wie weit entfernt sind solche Narrative wirklich von der Propaganda der 1930er-Jahre, als die Presse gezielt Feindbilder schuf und Hass gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen schürte? Die mediale Hetze, die damals das „personifizierte Böse“ erschaffen hat, scheint in Teilen wieder aufzuleben – dieses Mal mit neuen Zielgruppen.
Wenn die Forderung nach Gerechtigkeit und Menschenrechten für Palästinenser mit dem Nationalsozialismus verglichen wird, stellt sich die Frage, ob wir nicht in eine gefährliche Richtung abdriften. Derartige Gleichsetzungen verhöhnen nicht nur die Opfer des Holocaust, sondern verunmöglichen auch eine differenzierte Auseinandersetzung mit den realen Problemen im Nahen Osten.
Gerechtigkeit darf niemals selektiv sein, und das Recht auf ein Leben in Freiheit und Würde steht jedem Menschen zu – unabhängig von Nationalität oder Religion. Die Verharmlosung oder Instrumentalisierung von Nazivergleichen führt nur dazu, dass wahre Gerechtigkeit immer weiter in die Ferne rückt.